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Eltern-Ratgeber zur Hilfsmittelversorgung

Eltern-Ratgeber Hilfsmittelversorgung

rehaKIND – Die internationale Fördergemeinschaft für die Kinder- und Jugendrehabilitation hat einen hilfreichen Eltern-Ratgeber zur Hilfsmittelversorgung veröffentlicht.

Sie können sich den Inhalt hier anschauen. Am Ende des Artikels ist er zusätzlich verlinkt.


 

Inhalt von rehaKIND e.V.:

(teilweise ergänzt / aktualisiert von SORG)

 


Liebe Eltern, bei der Hilfsmittelversorgung Ihres Kindes sind Sie während des gesamten Versorgungsprozesses verantwortliche Ansprechpartner. Viele Personen aus unterschiedlichen Berufen sind daran beteiligt (z. B. Arzt, Therapeut, Sanitätshaus, Erzieher, Betreuer…). Vielleicht werden Ihnen unbekannte Fachbegriffe benutzt oder auf rechtliche Paragraphen verwiesen, die Ihnen unbekannt sind. Hier nicht den Überblick zu verlieren ist gar nicht so einfach.

Dieser Ratgeber informiert Sie zu allen wichtigen Dingen rund um die Versorgung Ihres Kindes.

Von Krankenkasse zu Krankenkasse gibt es unterschiedliche Verfahren bei der Versorgung mit Hilfsmitteln. Und private Krankenversicherungen arbeiten oft noch einmal anders als die gesetzlichen Krankenkassen. Ihr Sanitätshaus kann Ihnen den Versorgungsweg Ihres Kostenträgers erläutern. Sie können aber auch direkt mit Ihrem Kostenträger Kontakt aufnehmen und sich dort informieren.

Der folgende Ablauf beschreibt eine „normale“ Rollstuhlversorgung bei einer gesetzlichen Krankenversicherung.

 

1. Was ist ein Hilfsmittel?

In §33 Absatz 1 Satz 1 SGB V wird der Begriff Hilfsmittel und dessen Zweck definiert:

  • Hilfsmittel helfen, die Folgen einer Behinderung bzw. Erkrankung auszugleichen, oder
  • Hilfsmittel sichern den Erfolg einer Behandlung oder
  • Hilfsmittel beugen einer drohenden Behinderung vor oder der Verschlechterung des Gesundheitszustandes Ihres Kindes.

2. Das Rezept / die Verordnung

Der erste Weg führt Sie mit Ihrem Kind immer zum Arzt. Grundlage einer Versorgung ist eine ärztliche Verordnung, also ein Rezept. Darin beschreibt der Arzt möglichst genau die Diagnose und das benötigte Hilfsmittel.

Sie besprechen mit den Experten, welches Hilfsmittel Ihr Kind benötigt und wofür und wo es eingesetzt werden soll.

 

3. Die Bestandsprüfung

In unserem Wissenstext „Habe ich Anspruch auf einen ganz NEUEN Rollstuhl?“ haben wir das Thema der Bestandsprüfung schon erläutert. Hier ein kurzer und erklärender Ausschnitt:

Hochwertige Rollstühle, Stehgeräte und andere ähnliche Hilfsmittel sind auf eine langjährige Nutzung ausgelegt und können meist für mehr als einen Benutzer eingesetzt werden. Benötigt beispielsweise ein Rollstuhlfahrer seinen Adaptivrollstuhl nicht mehr (möglicherweise ist er rausgewachsen etc.) geht dieser wieder ans Kassenlager zurück und der Rollstuhlfahrer erhält einen anderen (für ihn passenden) Rollstuhl. Bei einer normalen Rollstuhlversorgung wird also zuallererst der Kassenbestand nach einem geeigneten Rollstuhl überprüft. Wiedereinsetzbare Hilfsmittel sind in der Regel deutschlandweit bei den Sanitätshäusern eingelagert und auf einer Web-Plattform des Kostenträgers eingebucht. Über diverse Filtermöglichkeiten (beispielsweise Sitzbreite, Sitztiefe, Hilfsmittelnummer usw.) kann der Bestand durch das anfragende Sanitätshaus durchsucht werden.

Befindet sich ein passender Rollstuhl im Bestand, lässt sich das anfragende Sanitätshaus den Wiedereinsatz-Rollstuhl zuschicken. Ist kein passender Rollstuhl eingelagert, kann eine Neuversorgung beantragt werden.

4. Der Antrag über die Hilfsmittelversorgung

Damit der Kostenträger die Kosten für dieses Hilfsmittel übernehmen kann, müssen Sie einen Antrag bei Ihrer Krankenkasse (auch Kostenträger genannt) stellen. In der Regel übernimmt diese Aufgabe das Sanitätshaus (auch Versorger, Fachhändler oder Leistungserbringer genannt).

Mit dem Antrag wird das Rezept des Arztes, ein entsprechender Kostenvoranschlag, das Ergebnis der Bestandsprüfung und unter Umständen noch eine schriftliche Begründung an Ihren Kostenträger geschickt. Heutzutage funktioniert das alles meist Online. Das hat viele Vorteile. Man spart sich die Zeit, die die Post brauchen würde und man kann im Programm immer den aktuellen Stand der Bearbeitung abfragen.

5. Die Fristen

  • Ihr Antrag ist beim Kostenträger eingegangen
  • Innerhalb von 3 Wochen muss die Krankenkasse über diesen Antrag entscheiden.
  • Die Frist kann sich auf 5 Wochen verlängern, wenn die Krankenkasse eine Stellungnahme vom z.B. Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) einholt.
  • Eine Ausnahme von der Frist liegt dann vor, wenn Ihnen die Krankenkasse innerhalb der 3/bzw. 5 Wochen schriftlich mitteilt, dass sie für ihre Entscheidung mehr Zeit braucht und diese Verzögerung auch begründet (z. B. weil ein Gutachter eingeschaltet wird). Die Tatsache, dass die Krankenkasse zu viel zu tun hat und/oder zu wenig Personal hat ist kein Grund, die Frist zu verlängern.
  • Sind die 3 / 5 Wochen verstrichen und Sie haben keine schriftliche Mitteilung von der Krankenkasse bekommen, gilt Ihr Antrag als genehmigt. Das nennt sich Genehmigungsfiktion. Die Krankenkasse muss Ihnen das Hilfsmittel, genauso wie es im Kotenvoranschlag beschrieben ist, nun genehmigen. Im Nachgang darf sie diesen Antrag nicht mehr ablehnen und auch nicht Preise reduzieren oder Ihnen ein günstigeres Produkt vorschreiben. ACHTUNG: Es besteht seit der Entscheidung des 3. Senates des BSG vom 15.03.2018 Streit darüber, ob auch Hilfsmittel zum Behinderungsausgleich von dieser Regelung umfasst sind.
  • Vorsicht: Auch wenn Sie im Recht sind und sich das Hilfsmittel jetzt selbst besorgen können. Sie haben keinen Anspruch darauf, dass das Sanitätshaus diese Versorgung für Sie vorfinanziert. Das müssen Sie selbst tun und sich das Geld im Nachgang von der Kasse zurückholen. Das ist oft ein sehr kompliziertes Verfahren.
  • Fordern Sie deshalb nach Ablauf der Frist die Kasse auf, Ihnen schriftlich zu bestätigen, dass Ihr Antrag wegen des Ablaufs der Frist nun genehmigt ist.
  • Bekommen Sie keine schriftliche Bestätigung, sollten Sie über rechtliche Schritte nachdenken und einen Fachanwalt befragen.
  • Denken Sie bitte immer daran, über alle diese Schritte und die Mitteilungen von Ihrer Krankenkasse Ihr Sanitätshaus zu informieren.

6. Der Bescheid über Ihre Hilfsmittelversorgung

Die Entscheidung der Krankenkasse über Ihren Antrag heißt Bescheid. Wird der Antrag bewilligt (positiver Bescheid), erhalten Sie das Hilfsmittel von Ihrem Sanitätshaus

6a. Der Widerspruch

In dem Bescheid hat Ihre Krankenkasse Ihren Antrag vollständig oder zum Teil abgelehnt oder hat etwas anderes genehmigt? Dagegen können Sie Widerspruch einlegen.

  • Sobald Ihnen diese Ablehnung vorliegt, müssen Sie innerhalb von 4 Wochen schriftlich gegen diese Entscheidung der Krankenkasse widersprechen.
  • Überschreiben Sie Ihren Brief mit „Widerspruch“ und benennen Sie die Entscheidung gegen die Sie sich wehren, so genau wie möglich. Begründen müssen Sie Ihren Widerspruch zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht. Wichtig ist jetzt nur, innerhalb der Frist von 4 Wochen schriftlich Widerspruch einzulegen. Unterschreiben Sie Ihren Widerspruch, damit er gültig ist.
  • Eine Begründung für Ihren Widerspruch sollten Sie dennoch nachreichen. Sonst ist es für die Krankenkasse sehr einfach, bei ihrer Ablehnung zu bleiben. Holen Sie sich für die Begründung Ihres Widerspruchs Unterstütung bei Ihrem Arzt, Therapeuten oder im Sanitätshaus.

6b. Der Widerspruchsbescheid

  • Nun muss die Krankenkasse aufgrund Ihres Widerspruchs den Antrag erneut prüfen.
  • Lehnt die Krankenkasse Ihren Widerspruch erneut innerhalb von 3 Monaten ab, nennt man das Widerspruchsbescheid. Gegen diesen können Sie in einer Frist von 1 Monat beim zuständigen Sozialgericht klagen. Das kann mitunter sehr lange dauern.

6c. Das Klageverfahren

  • Für das Klageverfahren ist das Sozialgericht zuständig
  • Der Widerspruchsbescheid der Krankenkasse (siehe 5b) liegt Ihnen vor. Darin enthalten ist eine Rechtshilfebelehrung. Dort ist genau beschrieben, wie und wo Sie gegen den Bescheid klagen können.
  • Das Sozialgerichtverfahren ist für Sie kostenfrei. Die Begleitung durch einen Anwalt ist nicht vorgeschrieben. Aber: Es gibt im Bereich Hilfsmittel nur wenige gesetzliche Grundlagen. Außerdem sollte man die vielen Rechtsprechungen zu diesem Thema kennen. Deshalb ist die Unterstützung durch einen Fachanwalt sinnvoll. Diesen müssen Sie allerdings selbst bezahlen.
  • Leider dauern solche Klageverfahren häufig länger als ein Jahr.

6d. Das Eilverfahren

Für Ihr Kind ist das beantragte Hilfsmittel sehr wichtig. Aus medizinischer Sicht ist Eile geboten und Sie können die Entscheidung des Gerichts nicht abwarten: In wirklich dringenden Fällen bietet sich dann das Eilverfahren (einstweiliges Rechtsschutzverfahren genannt) an.

  • Hier wird vor dem Sozialgericht das Verfahren verkürzt und eine vorläufige Entscheidung getroffen.
  • Achtung! Die Anforderungen für dieses Verfahren sind relativ hoch. Sie müssen genau begründen können, warum Sie das Ergebnis des Klageverfahrens nicht abwarten können.
  • Erklären Sie, warum Ihr Kind ohne schnelle Versorgung unzumutbare Nachteile hätte, z.B. nicht korrigierbare Gesundheitsschäden oder Entwicklungsverzögerungen. Beraten Sie sich mit Ihrem Arzt / Therapeuten und mit einem Fachanwalt, bevor Sie so ein Eilverfahren anstreben.

 

Aspekt Teilhabe / Weitere Zuständigkeiten

Der Begriff Inklusion / Teilhabe nach der UN Behindertenrechtskonvention hat keine neuen rechtlichen Grundlagen, Ansprüche und Zuständigkeiten geschaffen.

Es gilt: Für den individuellen Anspruch einer Hilfsmittelversorgung und deren Bewilligung bleibt die gesetzliche Krankenkasse zuständig.

Bei Zweitversorgungen oder Hilfsmitteln, die z. B. für die Schule benötigt werden, können jedoch andere Kostenträger (z. B. Rehabilitationsträger nach § SGB IX) zuständig sein. Dies können sein:

  • Die gesetzlichen Krankenkassen,
  • die Bundesagentur für Arbeit,
  • die gesetzliche Unfallversicherung (Berufsgenossenschaften und ähnliche),
  • die gesetzliche Rentenversicherung
  • die öffentliche Sozial- und Jugendhilfe

 


Zuständigkeitsprüfung

Nicht immer sind die Zuständigkeiten klar. Damit die Klärung dieser Frage nicht zu Ihrem Nachteil wird, hat der Gesetzgeber in § 14 SBG IX eine entsprechende Regelung aufgenommen (Betrifft nicht Pflegeversicherungen und Schulträger).

  • Ihr Antrag geht bei einem Kostenträger ein. Dieser muss in einer Frist von 2 Wochen prüfen, ob er zuständig ist.
  • Klärt er seine Zuständigkeit innerhalb der Frist nicht, bleibt er zuständig und muss über Ihren Antrag entscheiden.
  • Leitet er den Antrag fristgerecht weiter, muss der angeschriebene Träger den Antrag bearbeiten und eine Entscheidung treffen. Hierfür muss er alle infrage kommenden Rechtsgrundlagen berücksichtigen. Zurückschicken darf er den Antrag nicht.
  • Wenn der angeschriebene Träger aber offensichtlich nicht zuständig ist, dann kann er den Antrag nach Rücksprache mit dem zuständigen Träger an diesen weiterleiten.
  • Für die Bearbeitung des Antrages gelten dann andere Regelungen (§ 18 SGB IX).

 


 

Haben Sie weitere Fragen? Sie können Ihr Sanitätshaus befragen oder auch direkt mit rehaKIND Kontakt aufnehmen (unter info@rehakind.com oder telefonisch unter 0231-6103056)

Weitere Informationen zu rehaKIND gibt es unter www.rehaKIND.de

 

Den Elternratgeber Hilfsmittelversorgung können Sie Sich hier herunterladen.

 


Weitere hilfreiche Informationen:

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