Der GesundheitsProfi, die renommierte Fachzeitschrift für Sanitätshäuser, hat in Ihrer neuesten Ausgabe (02 /18) einen lesenswerten Artikel über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unseres Familienunternehmens veröffentlicht.
Den Artikeltext von Chefredakteur Tobias Kurtz können Sie auch direkt bei uns nachlesen:
Der größte Spezialist
Möglichst groß in der Nische: So stellt sich der Rollstuhl-Spezialist SORG strategisch auf
Während an einer Seite der Halle Bauteile verschraubt werden, schimmert einige Meter entfernt die Flamme eines Schweißgeräts durch den Sichtschutz. Auch 30 Jahre nach seiner Gründung ist
Sorg Rollstuhltechnik ein Manufakturbetrieb, der sich durch eine enorme Fertigungstiefe auszeichnet und damit vom Wettbewerb abhebt. Beim GP-Besuch erläutert Geschäftsführer Marcel Sorg seine Strategie und setzt sich mit den Rahmenbedingungen der Hilfsmittelversorgung auseinander. Kritische Worte inbegriffen.
Der Mann redet sich in Fahrt. Wenn es um Rollstuhlversorgungen für Kinder geht, ist Marcel Sorg kaum zu stoppen. Schließlich steht viel auf dem Spiel: Kinder mit Handicap müssen ebenso wie ihre Altersgenossen die Möglichkeit bekommen, die Welt selbstständig zu erobern und eigene Entscheidungen zu treffen. „Diese Erfahrungen sind die Grundlage für die gesamte weitere Entwicklung. In dieser frühen Phase bilden sich die neuronalen Netzwerke im Gehirn.“ Sobald Kinder anfangen zu laufen, macht daher auch ein Rollstuhl grundsätzlich Sinn, erläutert der Reha-Experte. Also ab einem Alter von einem Jahr etwa. „Eine Rollstuhlversorgung mit acht Jahren zu beginnen, ist viel zu spät.“ Die kleinen Patienten stellen individuelle Anforderungen an die Versorgung, die sich wachstumsbedingt zudem schnell ändern. Entsprechend flexibel muss das Hilfsmittel gestaltet sein. SORG Rollstuhltechnik hat sich darauf eingestellt.
Ob Rahmen, Seitenteil oder Rücken – die einzelnen Teile sind fast durchgängig miteinander kompatibel. Die enormen Versorgungsmöglichkeiten basieren auf einer im Vergleich zu Wettbewerbern hohen Fertigungstiefe. Vom Biegen der Rohre über den Radbau, die eigene Näherei bis zur Endmontage und -kontrolle macht Sorg alles selbst. Nur die Beschichtung der Bauteile übernimmt ein Partner aus der Region. SORG führte im letzten Jahr zudem eine Software zur Steuerung des Fertigungsprozesses ein. Wie weit ist welcher Auftrag abgearbeitet, welcher Rollstuhl eilt besonders? Die Software liefert allen Mitarbeitern einen schnellen Überblick.
Marcel Sorg legt grundsätzlich Wert auf flache Hierarchien und autonome Entscheidungen seiner Mitarbeiter. Daher gilt: „Die Software ist ein Hilfsmittel und steuert nicht die Mitarbeiter.“ Die Mitarbeiter übernehmen nicht nur ein oder zwei Arbeitsschritte, sondern sind für das gesamte Zusammenspiel des Rollstuhls verantwortlich. „Dadurch steigen Mitarbeiterzufriedenheit und Qualität.“ Die Produktionsabläufe werden stetig optimiert. Auch Roboter oder der 3-D-Druck könnten künftig in Teilbereichen sinnvoll sein, blickt Marcel Sorg in die Zukunft. Um zum Beispiel bei Prototypen die Passigkeit eines Teiles zu sehen, sei der 3-D-Druck wunderbar. Allerdings haben gedruckte Teile andere Materialeigenschaften wie konventionell hergestellte. „Darüber hinaus stehen Kosten und Nutzen noch nicht in einem richtigen Verhältnis.“ „Wir haben unsere Produktion auf den Einzelstückfluss und dafür passende Module optimiert“, fasst Sorg zusammen. Was für andere Unternehmen bereits zu stark von der Norm abweiche und eine Sonderbau-Lösung erfordere, könne SORG daher noch durch sein Baukastensystem abdecken. Darin stecken die Erfahrungen von 30 Jahren Versorgungspraxis.
Hugo Sorg gründete seinen Handwerksbetrieb im Jahr 1987. Marcel Sorg ist 2009 eingestiegen. Im Jahr 2011 übernahm er die alleinige Verantwortung. „Der Zeitpunkt hat gepasst. Die Eltern hatten ein gutes Gefühl. Da fiel ihnen das Loslassen dann leicht.“ Auch wenn Hugo Sorg nicht mehr aktiv im Unternehmen tätig ist, sind seine Ideen immer noch präsent. „Der Baukasten beruht im Prinzip auf den Lösungen meines Vaters. Er lernte durch jeden Einzelfall, was der Kunde braucht und in welchen Bereichen Defizite bestehen. Wir haben viel Arbeit investiert, um die Lösungen meines Vaters zu systematisieren.“
Herausforderung Know-how-Bewahrung
„Die Auswahl des Rollstuhls ist ein komplexer Versorgungsprozess“, sagt Marcel Sorg. Den Reha-Technikern im Handel kommt dabei eine entscheidende Rolle zu. Allerdings beobachtet Marcel Sorg bei den Leistungserbringern eine „Erosion an Wissen“. Durch den Fachkräftemangel breche viel Erfahrung weg. Gerade der Kostendruck mache den Versorgern zu schaffen. „Der Gesetzgeber wünscht Qualität, die Krankenkassen sträuben sich gegen die damit verbundenen Kosten. Sie wollen sparen – und zwar jetzt, nicht über den gesamten Versorgungszeitraum gesehen“, kritisiert Marcel Sorg scharf. „Mögliche Folgekosten werden nicht betrachtet.“
Selbst die Kinderreha und der Sonderbau seien inzwischen von den Sparbemühungen der Kostenträger betroffen obwohl hier die Kosteneinsparung im Vergleich zu den Gesamtausgaben verschwindend gering ist. Die Auswirkung auf die Betroffenen ist dagegen deutlich negativ. Wenn früher mehrere Anpassungstermine vor Ort möglich waren, sollte heute das Hilfsmittel möglichst bei der ersten Erprobung schon optimal passen.
Mit Festpreisen für Reha-Hilfsmittel kann Marcel Sorg grundsätzlich leben. „Diese müssen jedoch den erhöhten Dienstleistungsaufwand gerade in der Kinderversorgung berücksichtigen und bei komplexen Fällen eine Möglichkeit zum Abweichen von diesen Preisen beinhalten. Alles andere führt zu einer Abwärtsspirale der Versorgungsqualität.“ Dass der Rollstuhlspezialist aufgrund dieser Entwicklung künftig mit weniger Partnern Zusammenarbeiten wird, bestreitet er. „Wir bleiben breit aufgestellt.“ Der technische Außendienst bringe die Kompetenz in den Markt und unterstütze die Reha-Techniker mit Schulungen oder bei der konkreten Bestellung. Außerdem stellt SORG den Reha-Fachbetrieben einen Demopool mit Testrollstühlen zur Verfügung. „Dadurch gewinnt der Reha-Techniker Sicherheit bei der Versorgung.“
Herausforderung Bürokratie
Zu den künftigen bürokratischen Herausforderungen zählt Marcel Sorg die Medizinprodukte-Verordnung (MDR). Deren Auswirkungen und der mit ihr verbundene bürokratische Aufwand ließen sich noch nicht absehen. Für Spezialisten in der Nische sei eine Frage relevant: „Was trägt zur gewünschten Qualitätssicherung bei, was sorgt für Abschreckung und
bremst Innovationen aus?“ Die Erfahrungen im Arzneimittelbereich zeigten, dass diese Gefahr bestehe. Immer mehr Aufwand mit Konformitätsbescheinigungen, Zertifizierungen und Tests gingen mit einer steigenden kritischen Größe einher, ab der die Produktion wirtschaftlich Sinn mache. Derzeit stellt SORG zwischen 4.000 und 5.000 Rollstühle jährlich her. „In der Nische sind wir damit die größten.“ Für die Zukunft gilt: „Wir streben Wachstum nicht direkt an“, sagt Marcel Sorg. Steigende Umsätze seien das Ergebnis von richtigen Entscheidungen in den Bereichen
Produkt, Mitarbeiter, Prozesse und Service. „Daraus resultiert Kundenzufriedenheit und am Ende auch Wachstum.“
Die Kinderreha erfordert generell einen großen Spagat von den Herstellern. Sorg spricht die verschiedenen Versorgungspartner und ihre sich teilweise widersprechenden Ansprüche an. Die Leistungserbringer wünschten tolle Produkte und gute Preise, die Kostenträger schauten nur auf die Wirtschaftlichkeit. „Und die Eltern wollen das Beste.“ Hinzu komme der unterschiedliche Informationsstand der Beteiligten. Daher will Sorg seine Kommunikation stärken. Dafür wurde nicht zuletzt die Webseite neu gestaltet. Ein Video vermittelt einen Eindruck, wie viel Handarbeit in einem SORG-Rollstuhl steckt. SORG steht seit 30 Jahren für Kompetenz in der Kinderversorgung und im Sonderbau. Diese Stärke erklärt den Erfolg in der Vergangenheit und bietet dem Unternehmen auch künftig die Chance, dem Preiswettbewerb auf dem Reha-Markt zu begegnen. Sie hat vielleicht nur einen unliebsamen Nebeneffekt: „Wir bieten auch Stühle für Erwachsene
an. Das wird oft vergessen“, sagt Marcel Sorg abschließend.
Quellenangabe: GesundheitsProfi, Ausgabe 02/18